Archäologische Ausgrabungen in der Flughafentangente Ost, Abschnitt V, Neubau der Staatsstraße 2580

Warum ausgraben?

 

Archäologische Ausgrabungen sind überall dort notwendig, wo auch nach Prüfung von Alternativen, der Erhalt und Schutz von bekannten oder von im Verlauf der Baumaßnahme entdeckten Bodendenkmälern nicht mehr möglich ist.

Bodendenkmäler sind Hinterlassenschaften von Menschen, vor allem aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit und sind einzigartige Zeugnisse der bayerischen Landesgeschichte. Unter diesen Hinterlassenschaften versteht man nicht nur die Funde (Werkzeug, Geräte, Behältnisse, Bekleidung, Trachtzubehör etc.), die aus unterschiedlichsten Materialien hergestellt sein können, sondern auch die im Boden meist direkt unter dem Humushorizont erkennbaren und erhaltenen Gruben, Gräben, Gräber, Mauern oder auch Schichtpakete (Siedlungsschichten) etc.. Funde und im Boden erhaltene auf den Menschen zurückgehende bauliche Veränderungen geben damit direkt ein Zeugnis über Siedlungsform, Bestattungsbrauch und Wirtschaftsgrundlage ab. Indirekt sind auch Rückschlüsse auf Gesellschaftsform und religiöse Vorstellungen möglich. Diese Bodendenkmäler können nun bereits durch das, die eigentliche Baumaßnahme vorbereitende, Abnehmen des Oberbodens oder wie in diesem Fall durch die Bodenentnahme zerstört werden.

Falls eine Zerstörung dieser einzigartigen geschichtlichen Quellen ansteht, ist derjenige, der den Nutzen aus der Zerstörung sieht, für die Dokumentation, Ausgrabung und Bergung verantwortlich. Das bedeutet, dass er in der Regel die archäologischen Ausgrabungen finanziert. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege ist beteiligt als Fachbehörde bei der Beurteilung der Bauplanung sowie als Fachbehörde vor allem während der Ausgrabung, damit die Ausgrabungen den bayernweit gültigen Vorgaben zur Dokumentation auch entsprechen. Dies ist notwendig, da eine Ausgrabung eine Zerstörung ist und die Bodenquelle hinterher nicht mehr ein zweites Mal überprüft bzw. dokumentiert werden kann (weiterführende Informationen zur Bodendenkmalpflege und Archäologie in Bayern auf der Internetseite: www.blfd.bayern.de und der Gesellschaft für Archäologie in Bayern: www.gesellschaft-fuer-archaeologie.de)

 

Wo gräbt wer aus?

Der vier Kilometer lange Neubau der Flughafentangente befindet sich westlich von Markt Schwaben vor allen in den Gemarkungen Finsing, Ottenhofen und Gelting und verbindet die bereits fertig gestellte Staatsstraße südlich von Oberneuching mit dem südlich von Gelting befindlichen Anschlussstück. Die Baumaßnahme quert einen Altmoränenkörper, der sich zwischen Münchener Schotterebene und dem Niederungsbereich der Sempt schiebt. Aufgrund von zwei bekannten Bodendenkmälern und des vorhandenen Lösssediments waren weitere Bodendenkmäler zu vermuten. Löss ist ein in Kaltzeiten aufgewehtes Sediment, auf dem sich sehr fruchtbare Böden wie Braunerden und Parabraunerden gebildet haben und das seit Beginn der Jungsteinzeit vor über 7000 Jahren bevorzugt zur Anlage von Siedlungen aufgesucht wurde.

 

Das Staatliche Bauamt Freising beauftragte daher in Abstimmung mit dem Landesamt die archäologische Grabungsfirma ArchBau den Bodenabtrag zu beobachten. Nach dem Auftreten von archäologischen Funden und Befunden auf zwölf Fundstellen hat die Grabungsfirma zwischen November 2008 und Ende Juni 2009 insgesamt 450 archäologische Befunde unmittelbar nach deren Entdeckung dokumentiert, ausgegraben und geborgen, damit die Bauarbeiten zügig voran gehen konnten.

 

Leben und Wohnen in der Bronzezeit zwischen Gelting und Oberneuching.

Im Vergleich zu den sehr intensiv begangenen und untersuchten Lössflächen im Raum Erding ist unsere Kenntnis über die vorgeschichtliche Besiedlung zwischen Markt Schwaben und Münchner Schotterebene sehr gering gewesen. Jetzt wissen wir, dass in der Straßentrasse elf bisher unbekannte vorgeschichtliche Siedlungen vor allem aus der Bronzezeit (2200 – 1350 v. Chr.) und ein offenbar kleines Brandgräberfeld angeschnitten wurden. Wir konnten damit unsere Kenntnis über die Fundstellen und gleichzeitig über die Besiedlungsgeschichte in dieser Region erweitern.

 

Die Ausgrabungen zeigen aber auch den sehr schlechten Erhaltungszustand der Befunde im Boden und wie groß der Denkmalverlust durch die starke Bodenerosion ist. Damit einher geht auch der geringe Fundumfang in den Gruben und Pfostengruben.

 

Dennoch in einzelnen Bereichen können aufgrund regelhafter Anordnung von im Planum dokumentierten Pfostengruben, in denen ursprünglich die Holzpfosten gestellt wurden und die das Gerüst für ein ebenerdiges Holzgebäude bildeten, auch Überlegungen zu den Hausformen angestellt werden. Denn nur so können Vermutungen über die Funktion der Häuser und die Anlage der Siedlungen angestellt werden. Es konnten sowohl 15 bis 20 m lange zweischiffige Gebäude, die aufgrund des Hausgrundrisses als Wohnhäuser angesprochen werden, sowie

kleinere Gebäude, bei denen es sich wahrscheinlich um gestelzt stehende Speichergebäude handeln dürfte.

Rekonstruktion eines spätbronzezeitlichen Dorfes

Nachdem die Grabungsfirma den Grabungsbericht abgegeben hat, in dem alle analogen und digitalen Dokumentationsunterlagen (Fotografien, Zeichnungen, Beschreibungen und der Grabungsbericht) enthalten sind, sollte eine wissenschaftliche Auswertung erfolgen, die das Zeichnen der Funde, eine zeitliche Einordnung des Fundmaterials, die naturwissenschaftliche Untersuchung der Tierknochen sowie die Lage der Siedlungen und mögliche Gliederung der Siedlungsausschnitte beinhalten sollte.

 

Dr. Stefanie Berg-Hobohm (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung Praktische Bodendenkmalpflege - Lineare Projekte)

 

 

Die Ausgrabung

 

Am 10. November 2008 begannen die archäologischen Arbeiten an der FTO V mit der Anlage des ersten Feinplanums in Fläche 1, am 22. Juni 2009 endeten sie mit der Entnahme der letzten Befunde auf Fläche 21. Insgesamt wurden auf 3,5 km Länge 26 Flächen bearbeitet.

 

Anlegen eines Feinplanums vor der Dokumentation des Planums

Die Befundverteilung in den einzelnen Flächen war sehr unterschiedlich. Vorgeschichtliche Siedlungsspuren konzentrierten sich in der Regel auf leichte Hanglagen. Überraschend ist auf den ersten Blick, dass auch feuchtere, in der Moderne erst in den 1950er Jahren durch umfangreiche Entwässerungsmaßnahmen landwirtschaftliche nutzbar gemachte Böden in bronzezeitlicher Zeit besiedelt wurden. Dies zeigt wie sehr sich die Umweltbedingungen in den letzten Jahrtausenden verändert haben.

Die Erkennbarkeit der eingetieften und in der Regel eher mit humosem Material verfüllten Siedlungsgruben war besonders im nördlichen Teil der Trasse sehr schwierig. Zugleich ist dieser Bereich aber auch der fundreichste, die Erhaltungsbedingungen sind vor allem durch die ausgeprägte neuzeitliche Ackertätigkeit und eine relativ geringe Humusauflage von 0,1 bis 0,25m gekennzeichnet.

 

In der Fläche 21, der nördlichsten Fläche, konnte eine vorgeschichtliche Siedlung mit zahlreichen Hausgrundrissen, Gruben sowie zwei Brunnen oder Zisternen und mindestens einem Speichergebäude ergraben werden. Stratigraphie und Fundmaterial sprechen für eine mindestens zweiphasige Siedlung. Bei einem Haus konnte ein teilweise erhaltenes Wandgräbchen mit Pfostenstellung nachgewiesen werden.  Das deutet zum einen daraufhin, dass die Flechtwerkwand des Holzgebäudes in den Boden eingetieft war und zum anderen, dass die Erosion nicht so stark fortgeschritten ist.

 

Die Mehrzahl des geborgenen Fundmaterials besteht aus grober Gebrauchskeramik der Bronzezeit (2200 – 1200 v. Chr.), feinkeramisches Material ist selten. Häufig anzutreffende bronzezeitliche Verzierungen sind Fingertupfenleisten. Herausragend ist der Fund von inkrustierter Feinkeramik aus einem Pfosten der Fläche 8. Auffällig ist die kleinteilige Zerscherbung der Keramik, vollständig erhaltene Gefäße konnten nicht geborgen werden. Ebenfalls aus der Fläche 21 stammen wenige Belege eisenzeitliche Graphittonkeramik, die in Verbindung mit dem Fund eines Eisenmessers stand.

Einen detaillierten Einblick in die die Siedlungsgeschichte bietet ein Sechs-Pfostenspeicher, der zweimal am gleichen Platz errichtet wurde und nach einer Brandkatastrophe endgültig aufgegeben wurde. Die tragenden Holzpfosten waren im Abstand von ca. 1m und mindestens 1 m tief in vorher angelegten Gruben eingegraben worden;  heute ist die Tiefe der Pfostengrube nur noch 0,5 bis 0,6 m erhalten. Dies zeigt, wie stark die Erosion die archäologischen Befunde zerstört hat.

 

Fläche 21. Sechs-Pfosten-Speicher

Bei zwei Befunden kann es sich um mit Holz oder Flechtwerk ausgekleidete Brunnen gehandelt haben, deren hölzerne Auskleidung jedoch vergangen ist; der tiefere von beiden war noch 1,24 m tief erhalten. In heutiger Zeit steht in dieser Tiefe bereits das Schichtwasser an. Die genaue Datierung der Befunde war aufgrund fehlender Funde leider nicht möglich.

Fläche 21. Brunnen mit den Verfüllschichten.

Direkt im Bereich der Kuppe im südlichen Bereich der Trasse ? (Fläche 25) konnten kurz vor Ende der Grabung drei Brandgräber der Eisenzeit (750 – 50 v. Chr.) dokumentiert und geborgen werden. Leider ist aufgrund der starken Bodenerosion nur noch der Sohlenbereich der ehemaligen Gruben, in denen die verbrannten Knochen des Bestatteten direkt oder in einer Urne eingebracht wurden. Aus einer Grabgrube konnte noch ein eiserner Lanzenschuh geborgen werden. Bei einem Lanzenschuh handelt es sich um das Abschlussstück des Holzschaftes einer Lanze. Die Grabgrube war flach wannenförmig mit steiler Wandung. Die Verfüllung war durchmischt mit Holzkohlepartikel, Rotlehm und den Resten der verbrannten menschlichen Knochen (Leichenbrand).

(Alexandra Völter – Fa. ArchBau)

 

 

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